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Politik Wissen

Die Eidgenossenschaft als Staatsidee hat Zukunft

Interview: Dr. phil. Stephan Ziegler, Chefredaktor MetroComm AG

In den letzten Jahren ging es in Ihren Publikationen regelmässig um die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft. Ihr aktuelles Buch setzt sich nun aber mit der Eidgenossenschaft als Staatsidee auseinander. Haben Sie vom Vorwärtsgang in den Rückwärtsgang umgeschaltet?

Nein, überhaupt nicht. Auch in meinem aktuellen Text gehe ich der Frage nach, was die digitale Revolution für unsere Institutionen bedeutet. Dies in der Überzeugung, dass neue Zeiten neue Antworten brauchen.

Was macht denn nach Ihrer Ansicht diese «neue Zeit» so besonders?

Die Digitalisierung, aber auch die Globalisierung und die Migration bewirken eine zunehmende Ausdifferenzierung sozialer Beziehungen. Die immer wieder beklagte Fragmentierung aller Lebensbereiche ist nicht das Problem, sondern das Wesen der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Fragmentierte soziale Strukturen treten an die Stelle einer bisher zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung hochgehaltenen Einheitlichkeit von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt.

Das tönt nun aber etwas sehr theoretisch. Was bedeutet das in der Praxis?

Der Versuch, die Unsicherheiten einer sich verändernden Welt mit immer mehr Vorschriften und Kontrollen, mit dem Ausbau der öffentlichen Verwaltung und staatlich finanzierten Programmen in den Griff zu bekommen, scheitert an der Komplexität einer fragmentierten Gesellschaft. Dies zeigen die allgegenwärtigen politischen Krisen, die explodierenden Staatsschulden und der Vertrauensverlust in die politischen Institutionen. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Und was hat die alles mit der Eidgenossenschaft als Staatsidee zu tun? more

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Die Zahl der Beamten oder Angestellten einer Verwaltung steht in keiner Beziehung zu der Menge der vorhandenen Arbeit. (C.N. Parkinson)

Bürokratische Strukturen und Prozesse sind gemeinsame Merkmale grosser Organisationen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Der Unterschied liegt in den Umständen, die dem administrativen Leerlauf ein Ende setzen.

Dies gelesen: «Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz.» (Quelle: Avenir Suisse, 5.2.2025)

Das gedacht: In einem aktuellen Blogbeitrag dokumentiert Avenir Suisse die Verwaltung in den zehn grössten Schweizer Städten. Im Jahr 2022, dem letzten verfügbaren Zeitpunkt, zählten sie zusammen 36’254 Mitarbeitende. Das entspricht genau der Bevölkerung der Stadt Chur und bedeutet einen Anstieg um 13,3% gegenüber dem Jahr 2011. Im gleichen Zeitraum hat die Bevölkerung in diesen Orten lediglich um 9,7% zugenommen.

Aus St.Galler Sicht bemerkenswert: Für einmal ist man ganz vorne mit dabei. Im Vergleich zur Einwohnerzahl gehört St.Gallen zu den drei Städten mit den meisten Verwaltungsangestellten. Pro 1000 Einwohner arbeiten in der St.Galler Stadtverwaltung 25 Mitarbeitende, in Luzern sind es 16. Einsame Spitzenreiterin ist die Stadt Zürich.

Stadt-Land-Graben

Auffallend ist der Stadt-Land-Graben. Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt so grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz. Erklärt wird dieser Unterschied in der Regel mit Zentrumsleistungen, die in den Städten anfallen und von denen auch Einwohner aus der Agglomeration profitieren. more

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Das Gebot der Stunde heisst Entstaatlichung

Die Bevölkerung Europas verhält sich wie reiche Erben. Man optimiert sein persönliches Wohlbefinden und konsumiert die von den Vorfahren erarbeiteten Errungenschaften. Obwohl in vielfacher Hinsicht besser unterwegs als die meisten EU-Staaten gilt dies auch für die Schweiz. Ohne die Rückbesinnung auf die wesentlichen Aspekte einer unternehmerischen Gesellschaft verlieren wir den Anschluss an die weltweite wirtschaftliche Entwicklung.

Dies gelesen: «Europa ist nur noch ein Zuschauer». (Wolodimir Selenski am WEF, Quelle: www.blick.ch)

Das gedacht: Selenski fordert ein starkes Europa. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Selenski übersieht allerdings, dass militärische Stärke nicht gratis zu haben ist. Ohne eine erfolgreiche Wirtschaft läuft nichts. Und diesbezüglich sieht es für Europa alles andere als hoffnungsvoll aus.

62 der 100 teuersten Unternehmen haben ihren Sitz in den USA. Noch einseitiger sieht es an der Spitze der Rangliste aus. Kein einziges europäisches Unternehmen schafft es unter die weltweiten Top 10. Neun der zehn wertvollsten Konzerne kommen aus den Vereinigten Staaten.

Mit drei Unternehmen ist die Schweiz ist in dieser Rangliste gut vertreten. Gleich wie Deutschland. Noch bemerkenswerter: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es in der Schweiz fast doppelt so viele Top 100-Unternehmen wie in den USA.

Allerdings, wie das übrige Europa verlieren auch die grossen Drei der Schweiz an relativer Bedeutung. Im Jahre 2007, vor der weltweiten Finanzkrise, hatten 46 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt ihren Sitz in Europa. Heute sind es noch 18. more

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Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer.

Dies gelesen: «Interessant ist, dass Geld und höheres Ansehen für Gründungspersonen in der Schweiz eine sehr kleine Rolle spielen. Vielmehr stehen intrinsische, persönliche Motive wie Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen im Vordergrund.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht)

Das gedacht: Seit mehr als zwanzig Jahren untersucht die Fachhochschule Nordwestschweiz die Gründerszene der Schweiz. Verändert hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren erfreulicherweise der Frauenanteil. Dieser hat sich ziemlich genau verdoppelt. Hinter knapp einem Drittel der neugegründeten Unternehmen stehen Frauen. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Unternehmensgründer mit einem akademischen Abschluss. Angesichts der starken Zunahme an Hochschulabsolventen keine Überraschung.

Im Übrigen aber hat sich kaum etwas bewegt. Die durchschnittliche Gründerperson ist etwas mehr als vierzig Jahre alt. Die neuen Unternehmen sind klein und bleiben klein. Unterstützung kommt bei der Gründung in erster Linie von der Familie, von Bekannten und Verwandten. Vergleichbares gilt, wenn bei auftretenden Schwierigkeiten externe Unterstützung gesucht wird. Bei der Finanzierung kommen zusätzlich Banken und Risikokapitalgeber ins Spiel.

Privat statt Staat

Kaum Bedeutung kommt bei Unternehmensgründungen den öffentlichen Gemeinwesen zu. Nur bei 6% der Gründerinnen und Gründer spielen staatliche Stellen eine unterstützende Rolle. Ein noch tieferer Wert als vor 10 Jahren (2009: 8%). Auch bei auftretenden Schwierigkeiten werden öffentliche Unterstützungsangebote kaum genutzt. more

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Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

Die Politik muss sich von ihrem Anspruch auf Totalverwaltung verabschieden. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Dies gelesen: «In der heutigen Welt kommt es auf Grösse an.» (EU-Kommissar Maros Sefcovic, in: NZZ, 19.3.2024)

Das gedacht: Für EU-Kommissar Maros Sefcovic steht fest, dass für die Schweiz kein Weg an einer institutionellen Anbindung an die EU vorbeiführt. Dies aus einem einfachen Grund: Gut ist, was gross ist. Eine Vorstellung, die nicht nur EU-Politiker auszeichnet. Nur, stimmt dies? Liegt, wie Sefcovic behauptet, die Zukunft in möglichst grossen Organisationen?

Die Fakten jedenfalls sprechen eine andere Sprache. Der Trend geht nicht in Richtung grosser politischer Einheiten. Von 1900 bis heute stieg die Zahl der Staaten von weltweit 50 auf knapp 200. Im 20. Jahrhundert entstand alle neun Monate ein neuer Staat. Auch im 21. Jahrhundert setzt sich die Staatenvermehrung fort, wenn auch verlangsamt. Egbert Jahn spricht von der wundersamen Vermehrung der Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

Grösse ist auch keine Garantie für Wohlstand. Im Gegenteil. 16 der 20 Länder mit dem grössten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2022 haben weniger als 10 Millionen Einwohner.

Und Grösse macht erst recht nicht glücklich. Gemäss dem World Happiness Report gehört zu den zehn Staaten mit den glücklichsten Menschen kein einziger Grossstaat. Bei den Top Ten liegt der Durchschnitt bei 7.1 Millionen Einwohnern. more

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Teilzeit-Home-Office-Work-Life-Balance-Generation

Wer flickt in Zukunft am Wochenende die ausgefallene Heizung oder sorgt für vom Schnee geräumte Strassen? Der Youtuber und die Influencerin? Wohl kaum.

Dies gelesen: Jetzt geht’s um die Wurst! Personalnot bei Migros und Co. stellt Fleischtheke in Frage – werden gar die Öffnungszeiten gekürzt? (Quelle: www.tagblatt.ch, 5.1.20023).

Das gedacht: Der Arbeitskräftemangel ist allgegenwärtig. Dabei stehen wir erst am Anfang der Entwicklung. Dies zeigen die offiziellen Statistiken. Von 1991 bis 2021 ist die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz um 24,7 Prozent von 6,8 auf 8,7 Millionen gestiegen. Im Gleichschritt mit der Bevölkerung hat sich die Zahl der Erwerbstätigen entwickelt. Aktuell arbeiten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nicht weniger Personen als vor zwanzig Jahren. Die wirklichen Konsequenzen der demografischen Krise werden sich erst in den nächsten Jahren so richtig bemerkbar machen, wenn die Babyboomer in Pension gehen.

Verändert hat sich jedoch das geleistete Arbeitsvolumen. 1991 arbeitete eine erwerbstätige Person in der Schweiz durchschnittlich 1718 Stunden im Jahr, 2021 waren es noch 1534 Stunden. Wir arbeiten immer weniger, sind unterwegs in die Teilzeit-Gesellschaft. Dies hat verschiedene Gründe. Um sich die Erziehungsverantwortung für die Kinder zu teilen, entscheiden sich in jungen Familien beide Elternteile für eine Reduktion des Arbeitspensums. Andere wollen mehr Zeit für ihr Hobby oder ein ausserberufliches Engagement. In vielen Fällen es ist schlicht und einfach die komfortable finanzielle Lage, die mehr Freizeit möglich macht. Doppelverdiener, die beide beim Bund zum Durchschnittslohn angestellt sind, verdienen zusammen 250’000 Franken. Unter diesen Voraussetzungen kann man problemlos zu Gunsten von mehr arbeitsfreier Zeit auf etwas Lohn verzichten. Bezeichnenderweise arbeiten denn auch 40 Prozent der Bundesangestellten in einem Teilzeitpensum. more

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Freude an der Sache

Eine staatliche Ordnung, die auf einem grundlegenden Misstrauen gegenüber dem Bürger basiert, die alles kontrolliert und sanktioniert, verdrängt den Gemeinsinn.

Dies gelesen: «So krass war der Lehrermangel noch nie.» (Quelle: www.tagesanzeiger.ch, 7.6.2022)

Das gedacht: Schweizweit fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Im Kanton Thurgau sind zurzeit 75 Stellen für ein Pensum von 50 bis 100 Prozent offen. Im Kanton Aargau sind es 392. Als Gründe werden steigende Schülerzahlen und die Pensionierung der Babyboomer-Generation genannt.

Ein zentrales Problem sind die vielen Aussteiger. Die Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbandes erklärt dies unter anderem mit zu tiefen Löhnen. Bildungsforscher dagegen weisen darauf hin, dass Primarlehrer im Vergleich zu Personen mit einem dreijährigen Fachhochschulstudium «sehr gut» dastehen.

Nur am Rande erwähnt wird in der aktuellen Berichterstattung ein möglicherweise weit grundlegenderes Problem: Die Bürokratiefalle. Eine Untersuchung aus dem Kanton Schwyz zeigt, dass Lehrpersonen heute weniger als die Hälfte der Arbeitszeit für das Unterrichten aufwenden. Seit zwei Jahrzehnten jagt eine Reform die nächste. Lehrer und Schulen klagen über «Reformitis». Die Schulverwaltungen, Fragen der Organisation, Koordination und Absprachen überlagern den Unterricht. Alles muss dokumentiert werden. Dies auch als Folge einer massiv gesteigerten Anspruchshaltung der Eltern. more

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Das Gebot der Stunde heisst Gleichschaltung

Für die Mächtigen ist eine wohlwollende mediale Berichterstattung das Salz in der politischen Suppe. Ganz besonders in einer ausserordentlichen Lage. Geschenke erhalten dabei die Freundschaft.

Anfangs April des vergangenen Jahres erhöhte der Bundesrat den Anteil der SRG an den Radio- und Fernsehgebühren um satte 50 Millionen Franken. Gleichzeitig stellte er ein Medienpaket zur Unterstützung privater Medien in Aussicht. Und dies unabhängig der Herausforderungen der Corona-Pandemie. Notmassnahmen, so Medienministerin Sommaruga, seien «nicht das richtige» Mittel, um die strukturellen Probleme der Verlagshäuser zu lösen.

Vier Wochen später war dies alles Schnee von gestern. Als Antwort auf Motionen aus dem Parlament präsentierte der Bundesrat ein Corona-Notpaket für private Medienunternehmen: 30 Millionen Franken für Radio- und TV-Veranstalter, 12,5 Millionen Franken für die indirekte Presseförderung, 10 Millionen Franken für die Nachrichtenagentur sowie 5 Millionen Franken für grössere Tages- und Wochenzeitungen. Die Sender der CH-Medien, zu der auch TVO und Radio FM1 gehören, erhielten in der Summe 6,94 Millionen Franken.

Nun war es in der Tat so, dass mit dem Ausbruch der Pandemie die Werbeeinnahmen der privaten Verlagshäuser einbrachen. Allein im April 2020 verzeichneten Printmedien einen Rückgang des Werbeumsatzes von 43 Prozent. Nur, damit waren sie nicht alleine. Weit härter traf es all diejenigen Unternehmen in der Gastronomie, im Einzelhandel, bei den persönlichen Dienstleistungen und der Kultur, deren Türen kurzerhand zugesperrt wurden. Einnahmen: Null. Rückgang: 100 Prozent. more

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Das süsse Gift der Subventionen

Die zu Recht ausbezahlten Corona-Härtefallentschädigungen zeigten Wirkung. Nicht nur in der Erfolgsrechnung der betroffenen Betriebe. Auf der Strecke blieben auch die unternehmerische Initiative und die Bereitschaft zum politischen Engagement.

Mitte April präsentierte die St.Galler Regierung eine Zwischenbilanz zur Auszahlung der Corona-Hilfen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man mehr als 82 Millionen Franken ausgeschüttet. Zusätzlich wurden Nachzahlungen von weiteren 11 Millionen Franken in Aussicht gestellt.

Ein wichtiger Teil dieser Härtefallentschädigungen ging an die Gastronomie. Und dies zu Recht. Restaurant-, Bar- und Clubbetreiber waren in besonderem Masse von den zum Teil willkürlichen Corona-Massnahmen betroffen. Über Monate galt für sie praktisch ein Arbeitsverbot.

Mit den Corona-Hilfen für die Gastronomie hatten Bund und Kantone die richtigen Konsequenzen aus dem ersten Lockdown gezogen. Es kann nicht sein, dass die Behörden einer Branche aus welchen Gründen auch immer den Stecker ziehen und diese anschliessend im Stich lassen.

Gelernt aber haben auch die Gastronomen selbst. Im ersten Lockdown entwickelten sie zahllose unternehmerische Ideen, um mit neuen Takeaway-Konzepten wenigstens ein wenig Umsatz zu erzielen. Da gab es kreative Ideen, es wurde improvisiert und experimentiert. more

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Der Ball liegt bei der Wirtschaft

Globalisierung und Digitalisierung reduzieren die Freiräume für souveräne, nationalstaatliche Entscheidungen. Neue Fragen brauchen neue Antworten. Wenn es der Wirtschaft nicht gelingt, Systemalternativen zu entwickeln, übernimmt die Politik diese Aufgabe. Am Schluss gibt es nur Verlierer.

Dies gelesen: «Keller-Sutter schockt die Konzernkritiker». (Quelle: Facebook-Post des Vereins Konzernverantwortungsinitiative, 3.7.2021)

Das gedacht: Die Sportradar AG ist eines der wenigen als Unicorn gehandelten Startups der Schweiz. Die in St.Gallen domizilierte Technologiefirma ist globaler Marktführer in der Auswertung und Überwachung von Sportveranstaltungen. In einem Tagblatt-Interview erklärte der Geschäftsführer Andreas Krannich, dass sein Unternehmen ihr System zur Erkennung von Wettbetrug künftig allen Sportverbänden gratis zur Verfügung stellen will. Dies nach eigenen Angaben als Integritätsarbeit und nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen.

Die Notwendigkeit dieses Vorgehens erklärte Krannich anhand eines fiktiven Beispiels: «Ein Tennismatch am US Open mit einem Spieler aus Europa, einem Spieler aus Nordamerika und einem Schiedsrichter aus Australien wird durch eine Organisation von irgendwo in Südamerika manipuliert. Wo liegt die Zuständigkeit der Ermittler? Ist es das Tatortprinzip? Ist es dort, wo der Kriminelle physisch sitzt? Ist es dort, wo der fehlbare Spieler oder Schiedsrichter herkommt? Oder ist es dort, wo der betrogene Wettanbieter sitzt? Solche Diskussionen haben wir in der Realität so oft mitgekriegt. Als Quintessenz blieben solche Fälle oft liegen. Auch deshalb ist wichtig, dass zumindest die Sportverbände die fehlbaren Sportler und Funktionäre sanktionieren. Aber natürlich können sie die kriminellen Personen im Hintergrund nicht zur Rechenschaft ziehen.» (Quelle: Tagblatt, 17.2.2021)

Die Initiative von Sportradar steht stellvertretend für zwei grundlegende Erkenntnisse. Erstens: Die Herausforderungen einer digitalen und globalen Gesellschaft sind mit den Institutionen des national aufgestellten Rechtsstaates nicht zu bewältigen. Zweitens: Es braucht Systemalternativen. Die digitale Revolution findet ausserhalb des Politischen statt. Erkenntnisse, die beispielsweise bei den Auseinandersetzungen rund um die Konzernverantwortungsinitiative hilfreich gewesen wären.

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