Politik

Anmassung von Wissen

Heute heisst es: In Bundesbern muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Eine Direktive, die zum Scheitern verurteilt ist. Nicht nur in der Klimapolitik.

Dies gelesen: «Der Bund sorgt dafür, dass die Wirkung der in der Schweiz anfallenden von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 Null beträgt.» (Quelle: Art. 3 Abs. 1 Klimaschutzgesetz)

Das gedacht: Der Bund nimmt die Sache in die Hand. So steht es im Klimaschutzgesetz, über das wir im Sommer abstimmen. Er kann es. Dies trifft erfahrungsgemäss dann zu, wenn es um das Tagesgeschäft geht. Unsere Nationalstrassen, der Bau von Eisenbahntunnels, aber auch die Steuerverwaltung, die Mehrwertsteuerkontrolle, das Verteilen von Subventionen an die Landwirtschaft, Sportverbände oder die Kultur, dies alles funktioniert vergleichsweise gut.

Anders sieht es aus, wenn die Herausforderung nicht im Verwalten der Gegenwart, sondern im Gestalten der Zukunft liegt. In die Coronapandemie und in die neutralitätspolitischen Herausforderungen des Ukrainekriegs stolperte der Bundesrat mehr oder weniger unvorbereitet hinein. Digitalisierungsprojekte scheitern. Auf das elektronische Patientendossier warten wir seit dem Jahre 2007. In der Altersvorsorge und im Gesundheits- und Pflegebereich herrscht ein riesiger Reformstau. Die Umlagerungsziele des Alpenschutzartikels sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Die Energiestrategie 2050 entpuppt sich wenig überraschend als Rohrkrepierer. Das leichtsinnige Spiel mit der Versorgungssicherheit gefährdet unsere Zukunft. Und nun will uns das Parlament mit dem Klimaschutzgesetz weismachen, dass der Bund dafür sorgen wird, dass bis ins Jahr 2040 im Sektor Gebäude die Treib­haus­gasemissionen um 82 Prozent (und nicht 81 und auch nicht 83 Prozent) und im Sektor Verkehr um 57 Prozent vermindert werden. Mehr Selbstüberschätzung geht nicht.

All diese Gesetze und Massnahmen scheitern nicht an schlechten Absichten. Vielmehr ist es der Glaube an die Überlegenheit der staatlichen Bürokratie, das Vertrauen in den Kollektivismus und die Planbarkeit gesellschaftlicher Prozesse, mit denen Bundesbern immer wieder Schiffbruch erleidet. Hayek sprach von der Anmassung von Wissen. Unsere Gesellschaft ist das Resultat einer spontanen Ordnung. Fortschritt kann seiner Natur nach nicht geplant werden. Wer versucht, so Hayek, die Gemeinwesen zu einer einzigen Organisation zu machen, die nach einem einzelnen Plan entworfen und regiert wird, zerstört die Kraft der individuellen menschlichen Vernunft. Erfolgreiche Gemeinwesen bauen nicht auf eine einzige, richtige und für alle gültige Lösung. Weit erfolgsversprechender sind zahllose individuelle Gestaltungsideen, die sich im Wettbewerb der Ideen austauschen und weiterentwickeln.

Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Mit diesen Worten beschrieb Jeremias Gotthelf noch vor der Gründung des Bundesstaates das Wesen der modernen Schweiz. Unser Staat funktioniert von unten nach oben. Entscheidend sind die kleinen Einheiten, die Familien, Lebensgemeinschaften, Gemeinden, der Föderalismus, die kleinen und mittleren Unternehmen, unsere Vereine und Organisationen der Zivilgesellschaft. Sie machen den Sonderfall Schweiz aus. Eine Tatsache, die in der Politik zunehmend in Vergessenheit gerät. Heute heisst es: In Bundesbern muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Eine Direktive, die zum Scheitern verurteilt ist. Nicht nur in der Klimapolitik.

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