Posts Tagged ‘Verschiedenheit’

Politik

Paragraphen statt Menschen

Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint. Auch beim Vollzug der Flankierenden Massnahmen.

Dies gelesen: «Rund 60 000 Geflüchtete in der Schweiz haben zurzeit den Schutzstatus S. (…) Gemäss den neusten Daten haben bisher gut 4600 dieser Geflüchteten eine Arbeitsstelle gefunden.» (Quelle: NZZ, 13.10.2022)

Das gedacht: Kürzlich wollte ein befreundeter Unternehmer eine Frau einstellen, die aus der Ukraine geflüchtet ist. Die Beschäftigung hätte sie von der staatlichen Sozialhilfe unabhängig gemacht. Vor allem aber wäre es die Chance gewesen, rasch möglichst unsere Sprache zu lernen. Die Frau spricht kein Wort Deutsch.

Mein Freund hatte allerdings die Rechnung ohne das Amt für Wirtschaft des Kantons St.Gallen gemacht. Dieses verweigerte die Arbeitsbewilligung mit der Begründung, dass der vereinbarte Lohn nicht den orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen entspreche. Verwiesen wurde auf den nationalen Lohnrechner.

Der Lohnrechner des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO ist ein Element im Vollzug der im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit verabschiedeten Flankierenden Massnahmen und soll Lohndumping verhindern. Anhand von sieben Parametern – der Branche, dem Alter, den Dienstjahren, der Ausbildung, der Stellung im Betrieb, der Berufsgruppe und dem Kanton – definiert dieser den Lohn, den ein Schweizer Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden zu zahlen hat. So viel zum liberalen Schweizer Arbeitsmarkt. more

Politik

Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden

Abweichende Meinungen werden immer weniger akzeptiert. Die Moralkeule ersetzt das Argument.

Dies gehört: «Das was ja Elon Musk so hochhält, diese Redefreiheit, finde ich eigentlich, dass das demokratische Legitimation braucht. Eine Gesellschaft einigt sich darauf, was gesagt werden darf und wo die Grenzen sind, was dann nicht mehr gesagt werden darf.» (Quelle: SRF-Digitalredaktor Guido Berger, SRF news, 4×4 Podcast, 26.4.2022)

Das gedacht: An sich ist die Sache klar. Grundrechte sind in ihrer ursprünglichen Bedeutung Abwehrrechte des einzelnen Bürgers gegen den Staat. Dazu gehört die in Artikel 16 der Bundesverfassung garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit. Jede Person hat das Recht, ihre Meinung zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.

Kommunikationsrechte sind elementar für den politischen Meinungsbildungsprozess und die Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie. Einschränkungen sind nur unter ganz besonderen, strengen Voraussetzungen erlaubt. Nicht entscheidend ist, ob die geäusserte Meinung mehrheitsfähig ist. Im Gegenteil. Grundrechte sind Minderheitenschutz.

Ganz anders sieht dies der Digitalredaktor des Schweizer Radio und Fernsehen. Er stellt die Meinungsäusserungsfreiheit gewissermassen auf den Kopf. Für ihn geht es nicht um Abwehrrechte des Einzelnen, um Minderheitenschutz, sondern einzig und allein um das Kollektiv. Die Gesellschaft einigt sich darauf, was gesagt werden darf und was nicht. more

Politik

Betroffenheitsgraben

Die direkte Demokratie funktioniert von unten nach oben. Themen und Sachfragen, die nur einzelne Gemeinden oder Kantone betreffen, sind von diesen und nicht vom Schweizer Stimmvolk zu regeln.

Für die Bevölkerung des Kantons St.Gallen war die Sache klar. 64,4 % der Abstimmungswilligen und alle Gemeinden verwarfen das Medienpaket. Selbst die rotgrüne Stadt St.Gallen lehnte die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagenen Subventionen für private Medienhäuser ab.

In der Abstimmungsstatistik findet man allerdings eine bemerkenswerte Ausnahme. Die im Kanton St.Gallen stimmberechtigten Auslandschweizer stimmten dem Medienpaket mehrheitlich zu. Dies ist insofern erstaunlich, als viele der vorgeschlagenen Massnahmen für die Auslandschweizer bedeutungslos sind. Dies gilt insbesondere für die Millionensubventionen zu Gunsten der Frühzustellung von Tageszeitungen.

Die Zustimmung der Auslandschweizer zu den Milliardensubventionen hat wohl in erster Linie damit zu tun, dass diese in der Regel in der Schweiz keine Steuern bezahlen. Der wuchernde Staatsapparat belastet sie nicht. Staatsausgaben sind offensichtlich dann kein Problem, wenn man selbst nicht zur Kasse gebeten wird. more

Politik

Staatsversagen auf Ansage

Regierungen und Verwaltungen scheitern an der Vielfalt der modernen Gesellschaft. Auch in der Bewältigung der Corona-Krise. Das staatliche Mikromanagement ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Wir erinnern uns. Während des zweiten Lockdowns gestatteten die Bundesbehörden den Verkauf von Unterhosen. Pyjamas dagegen waren mit einem Verkaufsverbot belegt. Im Bündnerland durfte man mit dem überfüllten Postauto von Chur nach Parpan fahren. Abstand? Beschränkung der Passagierzahl? Fehlanzeige. Die Terrassen der Bergrestaurants am Zielort dagegen wurden auf behördliche Anweisung hin geschlossen. Dies trotz einer Corona-konform schlanken Bestuhlung. Gleichzeitig verkaufte die SWISS jeden Sitz in ihren wie Sardinenbüchsen organisierten Flugzeugen. Wenn zwei dasselbe tun, so ist es noch lange nicht dasselbe.

Masken galten zuerst als nutzlos, dann wurden diese empfohlen, später unter Strafandrohung befohlen. Trotz einer in Lockdown-Zeiten besonderen Nachfrage untersagten die Behörden den Verkauf von Spielsachen und Büchern im stationären Einzelhandel. Dies sehr zur Freude von globalen Online-Giganten, die sonst von der Politik bei jeder anderen Gelegenheit für ihre Arbeitsbedingungen und Steuertricks kritisiert werden. Die Liste an Corona-Absurditäten lässt sich unendlich erweitern. Vieles hat mit individuellem Versagen zu tun. Entscheidender sind jedoch systembedingte Unzulänglichkeiten. Wir haben es mit einem Staatsversagen auf Ansage zu tun.

Industrielle Logik

Die moderne Gesellschaft folgt einer industriellen Logik. Das Ziel sind Organisationen, die als perfekte Maschine funktionieren und in der Lage sind, massenhafte Bedürfnisse zu bewältigen. Und dies nicht nur in der Massenproduktion, den Massenmedien oder dem Massentourismus, sondern auch in der Staatsorganisation. Bürokratisierung und Zentralisierung durchdringen alle Bereiche des öffentlichen Lebens. In Bundesbern sitzen 35’000 Staatsangestellte, die Tag und Nacht Gesetze, Verordnungen und Verhaltensanweisungen erfinden, vollziehen und für das Glück der Menschheit sorgen.

Allein in den letzten zehn Jahren ist die Rechtssammlung des Bundes um einen Drittel angewachsen. Auf über 70’000 Seiten. Zur Konkretisierung des Lebensmittelgesetzes benötigt die Verwaltung 27 Verordnungen mit insgesamt 2080 Seiten. Ein Bürokratiemonster, das selbst Spezialisten überfordert. Noch etwas komplizierter die Regulierung der Landwirtschaft. Hier braucht es in Bund und Kantonen rund 4000 Seiten. Geradezu magersüchtig dagegen der Leitfaden der Bundesverwaltung zum geschlechtergerechten Formulieren. 191 Seiten. Allerdings, das Gendersternchen gab’s bei der Verabschiedung des Leitfadens noch nicht. Und so stehen wohl die nächsten 50 Seiten ins Haus. more