Politik

Linksgrüne Lebenslüge

Umverteilung funktioniert nur innerhalb von Landesgrenzen. Der Sozialstaat ist ein durch und durch nationalistisches Konzept.

Auf dem Papier ist die Sache klar. Nationale Parolen sind eine Angelegenheit rechtsbürgerlicher Kreise. Die Linke dagegen denkt über die Grenzen hinaus. Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! So das kommunistische Manifest. Das Kampflied der Arbeiterbewegung ist «Die Internationale».

Global aufgestellt sind auch die Grünen. Entsprechend ihren eigenen Aussagen sind sie nicht nur ökologisch konsequent und sozial engagiert, sondern selbstverständlich auch global solidarisch. Sie retten gleich die ganze Welt.

Geht es dann allerdings ans Eingemachte, sieht die Sache anders aus. Auf dem Plakat der Grünen für die Netflix-Steuer prangt ein Schweizer-Kreuz, ergänzt durch Schlagwörter wie «Mehr Schweiz» und «Geldabfluss ins Ausland stoppen». Nationalistischer geht es nicht.

Auch die SP hat so ihre liebe Mühe mit den eigenen Ansprüchen. Im Parteiprogramm fordert man den Beitritt zur EU. Das institutionelle Rahmenabkommen jedoch wird bekämpft. Mit roten Linien und im Gleichschritt mit dem nationalkonservativen Lager in Politik und Wirtschaft.

Die linksgrüne Solidarität über die Grenzen hinaus ist dann am Ende, wenn es um die eigenen Interessen und Besitzstände geht. Und dies aus einem einfachen Grund. Umverteilung funktioniert nur innerhalb von Landesgrenzen. Keine Schweizerin ist bereit, mit ihren Lohnabzügen Rentenzahlungen in Griechenland zu finanzieren. Und kein Schweizer möchte mit seinen Steuergeldern Universitäten in Zagreb unterhalten. Daran kann auch die linksgrüne Lebenslüge von der internationalen Solidarität nichts ändern. Der Sozialstaat ist ein durch und durch nationalistisches Konzept.

Die erste staatliche Invaliditäts- und Altersversicherung realisierte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Mit einer bemerkenswerten Begründung: «Mein Gedanke war, die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte».

In seinen Wurzeln ist der moderne Interventionsstaat ein bürgerliches Projekt. Viele Arbeiter dagegen begegneten früher dem starken Staat mit Misstrauen. Ihre Ideale waren staatsferne Modelle der Selbstorganisation.

Davon ist nichts übriggeblieben. Linksgrün hat schon längst begriffen, dass es wesentlich einfacher ist, der Bevölkerung die Rechnung zu präsentieren, als mit eigenen unternehmerischen Leistungen die Welt zu verbessern. Gewerkschaften kompensieren rückläufige Mitgliederbeiträge mit Einnahmen aus staatlichen Vollzugsaufgaben. Über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen werden Nichtmitglieder zur Kasse gebeten.

Auch für die Grünen gibt es keine gesellschaftliche Herausforderung, die nicht mit zusätzlichen Staatsausgaben gelöst werden kann. Geld spielt keine Rolle. Schliesslich gibt es Gutverdienende und Unternehmen, die man ohne Rücksicht auf Verluste zu Gunsten der eigenen Wählerschaft melken kann.

Unsere Gesellschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen. Dazu gehören die demografische Entwicklung, die Klimakrise, globale Migrationsströme, die Energieversorgung. Alles Problemstellungen, die ohne eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht zu bewältigen sind. Nationalistische Parolen helfen dabei nicht weiter. Auch dann nicht, wenn diese in Watte verpackt und mit linksgrünen Parolen verziert si

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