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Politik Wissen

Der Ball liegt bei der Wirtschaft

Globalisierung und Digitalisierung reduzieren die Freiräume für souveräne, nationalstaatliche Entscheidungen. Neue Fragen brauchen neue Antworten. Wenn es der Wirtschaft nicht gelingt, Systemalternativen zu entwickeln, übernimmt die Politik diese Aufgabe. Am Schluss gibt es nur Verlierer.

Dies gelesen: «Keller-Sutter schockt die Konzernkritiker». (Quelle: Facebook-Post des Vereins Konzernverantwortungsinitiative, 3.7.2021)

Das gedacht: Die Sportradar AG ist eines der wenigen als Unicorn gehandelten Startups der Schweiz. Die in St.Gallen domizilierte Technologiefirma ist globaler Marktführer in der Auswertung und Überwachung von Sportveranstaltungen. In einem Tagblatt-Interview erklärte der Geschäftsführer Andreas Krannich, dass sein Unternehmen ihr System zur Erkennung von Wettbetrug künftig allen Sportverbänden gratis zur Verfügung stellen will. Dies nach eigenen Angaben als Integritätsarbeit und nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen.

Die Notwendigkeit dieses Vorgehens erklärte Krannich anhand eines fiktiven Beispiels: «Ein Tennismatch am US Open mit einem Spieler aus Europa, einem Spieler aus Nordamerika und einem Schiedsrichter aus Australien wird durch eine Organisation von irgendwo in Südamerika manipuliert. Wo liegt die Zuständigkeit der Ermittler? Ist es das Tatortprinzip? Ist es dort, wo der Kriminelle physisch sitzt? Ist es dort, wo der fehlbare Spieler oder Schiedsrichter herkommt? Oder ist es dort, wo der betrogene Wettanbieter sitzt? Solche Diskussionen haben wir in der Realität so oft mitgekriegt. Als Quintessenz blieben solche Fälle oft liegen. Auch deshalb ist wichtig, dass zumindest die Sportverbände die fehlbaren Sportler und Funktionäre sanktionieren. Aber natürlich können sie die kriminellen Personen im Hintergrund nicht zur Rechenschaft ziehen.» (Quelle: Tagblatt, 17.2.2021)

Die Initiative von Sportradar steht stellvertretend für zwei grundlegende Erkenntnisse. Erstens: Die Herausforderungen einer digitalen und globalen Gesellschaft sind mit den Institutionen des national aufgestellten Rechtsstaates nicht zu bewältigen. Zweitens: Es braucht Systemalternativen. Die digitale Revolution findet ausserhalb des Politischen statt. Erkenntnisse, die beispielsweise bei den Auseinandersetzungen rund um die Konzernverantwortungsinitiative hilfreich gewesen wären.

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Politik Wissen

Der institutionelle Stillstand ist keine Option

Wer in Zeiten des Wandels seinen eigenen Weg gehen will, muss alles Bisherige, alles scheinbar Selbstverständliche in Frage stellen und mit Blick auf die Konsequenzen von Globalisierung und Digitalisierung neu erfinden. Auch unsere Institutionen und politischen Prozesse.

Die SVP hat ein Problem. Nach beispielslosen Erfolgsjahren stottert der Motor. Wähleranteile und Abstimmungen gehen verloren. Die Mobilisierung der Basis will nicht mehr so richtig gelingen. Der Glanz des Sünnelis verblasst. Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe. Die Migrationsfrage hat viel von ihrer Brisanz verloren. Wenigstens vorübergehend. Im Fokus der politischen Aufmerksamkeitsindustrie steht die Klimapolitik. Auch in der SVP haben auf nationaler Ebene Berufspolitiker die Generation der unabhängigen Unternehmerpersönlichkeiten abgelöst. Dies auf Kosten der Nähe zur arbeitenden Bevölkerung. Die SVP-Vertreter im Bundesrat und in den kantonalen Regierungen vertreten als Mitglieder von Kollegialbehörden politische Massnahmen, die im Widerspruch zu den Überzeugungen der eigenen Basis stehen. Besonders augenfällig zeigt sich dies bei den SVP-Bundesräten Maurer und Parmelin und dem bundesrätlichen Corona-Diktat.

In erster Linie aber ist die SVP Opfer ihres eigenen Erfolgs. Sie hat ihr Alleinstellungsmerkmal verloren. Die EU-Skepsis, das Kernthema der SVP, ist heute allgegenwärtig und durchdringt alle grossen Parteien. Dies zeigen die Diskussionen rund um das institutionelle Rahmenabkommen. Aus dem von der SVP angestimmten Jubelgesang auf die selbstbestimmte und souveräne Schweiz ist ein vielstimmiger Chor geworden. Dies gilt für die SP und die Gewerkschaften. Mit ihrer als flankierende Massnahmen getarnten Abschottungsmentalität marschieren sie seit jeher im Gleichschritt mit der SVP. Unterstützung finden SVP und SP aber auch bei schwerreichen Finanzkapitalisten aus Zug, eingemitteten Parteipräsidentinnen und Parteipräsidenten sowie ordnungspolitisch beweglichen Ständeräten aus dem bürgerlichen Lager. more