Politik

Phrasendrescher

Politikerinnen und Politiker, die den Menschen kampflose Freiheit, stressfreie Sicherheit und leistungsunabhängige Einkommen versprechen, sind die wahren Totengräber unserer freiheitlichen Demokratie.

Dies gelesen: „You’ll never walk alone“ (Quelle: Bundeskanzler Olaf Scholz, 22.7.2022)

Das gedacht: Es gibt Lieder, die um die Welt gehen. Dazu gehört «You’ll never walk alone”. Zum ersten Mal aufgeführt wurde der Song im Jahre 1945 im Broadway-Musicals Carousel. Frank Sinatra machte daraus einen Hit. Seither wurden zahllose Coverversionen produziert.

Am bekanntesten die Aufnahme der Liverpooler Band Gerry & the Pacemakers aus dem Jahre 1963. Als Hymne des FC Liverpools vermittelt sie bis heute den Fussballfans im Anfield ein unvergleichliches Gemeinschaftserlebnis. Zehntausende liegen sich in den Armen und singen gemeinsam, dass man nie den Glauben an sich selbst verlieren soll. Gänsehaut stellt sich selbst bei Zuhörern ein, die wenig mit Massenveranstaltungen anfangen können.

Und nun kommt der staubtrockene deutsche Bundeskanzler daher und klaut den Titel für seine Propagandazwecke. Andere würden von «kultureller Aneignung» sprechen. Besonders verwerflich ist, dass Scholz die Botschaft des Songs in das exakte Gegenteil verdreht. Nun geht es nicht mehr um den Glauben an sich selbst, sondern um die Zusicherung, dass der Staat für alle und alles sorgt. Niemand werde mit seinen Problemen alleingelassen, so Scholz: «keine einzelne Bürgerin, kein einzelner Bürger, auch nicht die Unternehmen in diesem Land».

Wie ein Kommentar in der NZZ zu Recht festhält, ist eine Regierung, die beteuert, jeden Bürger und jedes Unternehmen in einer sich abzeichnenden Rezession aufzufangen, schlicht grössenwahnsinnig. Nur, damit ist Scholz nicht alleine. Bereits Merkel verkündete vollmundig «Wir schaffen das!» und Mario Draghi versprach die staatliche Gelddruckmaschine als ultimative Lösung für alle Probleme: «What ever it takes».

All diesen Phrasendreschern gemeinsam ist die Tatsache, dass sie mit ihren leeren Versprechungen Probleme nicht lösen, sondern verschärfen. Es werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllbar sind. Zurück bleiben Bürgerinnen und Bürger, die jedes Vertrauen in ihre Regierungen verlieren. Politische Verwerfungen sind vorprogrammiert.

Nichts ist umsonst. Politikerinnen und Politiker, die den Menschen «kampflose Freiheit, stressfreie Sicherheit und leistungsabhängige Einkommen» (Peter Sloterdijk) in Aussicht stellen, sind die wahren Totengräber unserer freiheitlichen Demokratie. Zeigen wir ihnen die rote Karte. Auch in der Schweiz. Zum Beispiel am 25. September, wenn es darum geht, die AHV wenigstens ansatzweise zu stabilisieren.

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