Politik

Keller-Sutter und der liberale Kompass

Private Unternehmen, deren Konkursrisiko für das System kein Problem ist, die weder staatliche Subventionen noch staatliche Sicherheitsgarantien beanspruchen, sollten von der Politik in Ruhe gelassen werden.

Dies gelesen: «Es ist leider so, dass der Konkurs einer international systemrelevanten Bank völlig andere Konsequenzen hätte als der Konkurs eines KMU.» (Quelle: BR Karin Keller-Sutter, www.nzz.ch, 25.3.2023)

Das gedacht: Bundesrat, Nationalbank und Finma haben als Gegengift zum Vertrauensverlust der Credit Suisse Notrecht eingesetzt. Die «Too big to fail»-Gesetzgebung, die Eigentumsgarantie, Aktionärsrechte, das Wettbewerbsrecht und das Öffentlichkeitsgesetz wurden ausser Kraft gesetzt. Wenn es wirklich schwierig wird, erweisen sich der Gesetzgebungs- und Verordnungsoverkill, die Vollzugsbürokratie und die Flut von externen Expertisen und Beratungsmandaten als unbrauchbar. Wie bereits bei Corona und der Energiewende entpuppen sich die 30’000 Bundesangestellten als reine Schönwetter-Piloten.

Nun ist es zweifellos so, dass der Konkurs einer Grossbank gesamtwirtschaftlich andere Konsequenzen hat als die Zahlungsunfähigkeit einer Bäckerei oder eines Maschinenbauunternehmens. Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn sich die Politik und die Verwaltung mit diesen systemrelevanten Unternehmen beschäftigen und mit bürokratischen Massnahmen Leitplanken für deren Geschäftstätigkeit definieren.

Im Alltag sind es jedoch nicht die Grossunternehmen, sondern die kleinen und mittleren Unternehmen, die in besonderem Masse den Würgegriff der Staatsbürokratie auszuhalten haben. Wie verkehrt das Spiel läuft, zeigt das Versagen der Eidgenössischen Finanzmarktkontrolle. Über 550 hochbezahlte Staatsangestellte kontrollieren tagein tagaus die Finanzbranche. Besonders erfolgreich ist die Finma, wenn es darum geht, unabhängigen Vermögensverwaltern und kleinen Bankinstituten das Leben schwer zu machen. Hier zeigt man, wo Bartli den Most holt. Dort aber, wo die ganz grossen Risiken zu Hause sind, bei den systemrelevanten Grossbanken, versagt die Finma auf ganzer Linie.

Vergleichbare Asymmetrien gelten für alle Bereiche der staatlichen Verwaltung. Komplizierte Steuergesetze, tausendseitige Mehrwertsteuerverordnungen, das Lebensmittelgesetz und die dazu gehörenden 27 Verordnungen mit insgesamt über 2000 Seiten, die Arbeitsmarktgesetzgebung und ihre undurchsichtige Gerichtspraxis, der Sozialversicherungsdschungel oder die vollkommen aus dem Ruder gelaufene Arbeitsmarktpolizei belasten in erster Linie die kleinen und mittleren Unternehmen. Anders als bei Grossunternehmen fehlen hier interne Stabsstellen und Spezialisten. Die entsprechenden Kompetenzen müssen teuer eingekauft werden. Zudem können die administrativen Kosten nicht auf eine grosse Zahl an Mitarbeitenden und Geschäftsstellen umgelegt werden. Der Bürokratie-Tsunami schädigt die Kleinen und stärkt die Grossen.

Gemäss Bundesrätin Keller-Sutter kann man die Konkursrisiken kleiner und mittlerer Unternehmen nicht mit den Konkursrisiken systemrelevanter Banken vergleichen. Aus dieser Erkenntnis leitet sie die Notwendigkeit ab, auf Probleme des Bankensektors mit mehr Staat und weniger Demokratie zu reagieren. Nicht weniger zwingend wäre der Umkehrschluss. Private Unternehmen, deren Konkursrisiko für das System kein Problem ist, die weder staatliche Subventionen noch staatliche Sicherheitsgarantien beanspruchen, sollten von der Politik in Ruhe gelassen werden. Eine Strategie, die langfristig weit mehr Wohlstand verspricht als alle staatlichen Notpakete.

Als aufstrebende Politikerin hat Karin Keller-Sutter immer wieder ihren liberalen Kompass zitiert: «Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen, Freiheit vor Gleichheit.» Davon ist nichts übriggeblieben. Schön wäre es, wenn sie als Bundesrätin diesen liberalen Kompass gelegentlich wieder aus ihrer Mottenkiste hervorholen würde. Wenigstens mit Blick auf alle nicht-systemrelevanten kleineren und mittleren Unternehmen.

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