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Die Motivation macht den Unterschied

In den meisten kleineren und mittleren Unternehmen kommt ideellen Zielsetzungen eine entscheidende Bedeutung zu. Es geht nicht darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst gross zu werden, sondern um die Unabhängigkeit und den Fortbestand der Unternehmung.

Dies gelesen: «Bei den Motiven zum Schritt in die Selbständigkeit stehen intrinsische Faktoren wie Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen klar an der Spitze. (…) Ebenfalls als sehr wichtig wird die Ausübung einer sinnstiftenden Tätigkeit angegeben.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht, www.fhnw.ch)

Das gedacht: Seit 20 Jahren untersucht das Institut für Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz, welche Motive in die berufliche Selbständigkeit geführt haben, mit welchen Herausforderungen sich Jungunternehmer konfrontiert sehen, wie erfolgreich sie sind und wie sie ihre Zukunft einschätzen.

Nicht verändert haben sich in all diesen Jahren die Motive zum Schritt in die Selbständigkeit. In erster Linie geht es um Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, um die Durchsetzung eigener Ideen und die Ausübung einer sinnstiftenden Tätigkeit. Viel weniger wichtig sind die Fortführung der Familientradition, das Erzielen eines höheren Einkommens, Macht oder Prestige.

Ideelle Motive sind entscheidend. Nicht nur bei Unternehmensgründern, sondern auch bei vielen etablierten Familienunternehmen. Die Motivation macht den Unterschied.

Börsenkotierten Konzerne und Firmen in den Händen von Finanzinvestoren orientieren sich an Finanzkennzahlen. Die Gewinn- und die Wachstumsoptimierung stehen im Vordergrund. Das Ziel ist, den Unternehmenswert möglichst stark und möglichst rasch zu vergrössern.

In Familienunternehmen hingegen spielen materielle Zielsetzungen eine weit weniger wichtige Rolle. Selbstverständlich will man auch hier gutes Geld verdienen und durch ein angemessenes Wachstum die Zukunft des Unternehmens sichern. Die Fragen von Gewinn und Wachstum werden jedoch in den meisten kleineren und mittleren Unternehmen der strategischen Zielsetzung der langfristigen Unabhängigkeit untergeordnet. In letzter Konsequenz geht es nicht darum, möglichst viel zu verdienen und in möglichst kurzer Zeit möglichst gross zu werden, sondern um den Fortbestand der Unternehmung.

In diese Richtung weist auch eine vor vielen Jahren von Professor Thomas Zellweger durchgeführte Befragung zur Bedeutung der Geschäftsziele bei privat gehaltenen Unternehmen. Das Überleben und die Unabhängigkeit der Unternehmung stehen an vorderster Stelle. Auf Platz drei folgt das ebenfalls der Unabhängigkeit verpflichtete Ziel, die Schulden zu reduzieren. Die Rendite- und Vermögenssteigerung landen an vierter und fünfter Stelle. Das Schlusslicht der Antworten bei der Frage nach der Bedeutung der Geschäftsziele bildet das Wachstum des Unternehmens.

Für alle mit einer Verbindung zum privaten Unternehmertum wenig überraschende Erkenntnisse. In der Politik allerdings sind diese nicht angekommen. Tagtäglich werden neue Gesetze und Verordnungen in die Welt gesetzt, die unsere Unternehmen in ihrer Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit einschränken. Aus der Zeit gefallene Arbeitsgesetze, eine hochkomplexe Steuergesetzgebung, staatliche Kontrollorgane wie die Lebensmittelkontrolle, die Arbeitsmarktpolizei oder die Finma, perfektionistische Bau- und Umweltvorschriften und vieles mehr reduzieren die unternehmerische Freiheit.

Dies alles beschädigt die Motivation, sich unternehmerisch zu betätigen. Staatliche Interventionen und ein Übermass an Bürokratie stehen in einem offenen Widerspruch zum Wunsch nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Unternehmerinnen und Unternehmer sind schlechte Befehlsempfänger.

Institutionelle Bedingungen sind mit dafür verantwortlich, dass sich unterschiedliche Industriestaaten mit vergleichbaren Voraussetzungen unterschiedlich entwickeln. Dies gilt ganz besonders in Zeiten des rasanten technologischen Fortschritts. Das Silicon Valley liegt in den freiheitlicheren USA und nicht im überregulierten Europa. Die wirksame Umsetzung disruptiver wissenschaftlicher Erfindungen bedingt echtes Unternehmertum und gelingt nur unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaftsinnovatoren auf das entsprechende gesellschaftliche und politische Umfeld treffen. Es geht nicht nur um das Können und Wollen, sondern ganz besonders auch um das Dürfen.

Ambitionierte Jungunternehmen genauso wie etablierte Familienunternehmen sind nicht auf staatliche Förderung, politische Innovationsinitiativen und mit Volksvermögen ausgestattete Staatsfonds angewiesen. Weit entscheidender sind Rahmenbedingungen, die das Bestreben nach Unabhängigkeit und Eigenverantwortung unterstützen. Vor zwanzig Jahren verfasste ich eine Publikation mit dem Titel «Mehr KMU – weniger Staat.» An dieser Forderung hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil. Sie ist aktueller denn je.

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