Archive for the ‘Politik’ Category

Politik

Warum dem Staat das Geld ausgeht und was wir dagegen machen können

Wenn ich das Geld anderer Leute für andere Leute ausgeben kann, interessiert mich nicht, wie viel ich ausgebe, und mich interessiert nicht, was ich für das Geld bekomme. (Milton Friedman)

Dies gelesen: Die Fuss- und Velounterführung kostet gut 8.6 Millionen Franken. Die Stadtkasse muss davon gut 2.7 Millionen selber tragen, da Bund und Kanton Beiträge leisten. (Quelle: tagblatt.ch, 4.4.2024)

Das gedacht: Das Stimmvolk des Kantons St.Gallen hat entschieden. Die befristete Erhöhung des Sonderlastenausgleichs für die Stadt St.Gallen um 3.7 Millionen Franken ist vom Tisch. Die SVP hat sich durchgesetzt.

Die Gegner der Vorlage argumentierten unter anderem mit städtischen Luxusprojekten. Als ein Beispiel musste regelmässig die derzeit in Bau befindliche Velounterführung bei der Kreuzbleiche herhalten.

In der Tat. Knapp 9 Millionen Franken für eine Fuss- und Velounterführung lassen aufhorchen. Allerdings liegt der Grund für den äusserst lockeren Umgang mit Steuergeldern nicht in erster Linie bei der Stadt. Im Gegenteil. Diese hat sich durchaus vernünftig verhalten. Ihr Return on Investment ist beeindruckend.

Und trotzdem, oder gerade deswegen, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Das Projekt Beginenweg – so heisst das gendergerecht getaufte Gesamtkunstwerk – hilft zu verstehen, wie die staatliche Ausgabenpolitik funktioniert und weshalb der öffentliche Haushalt ein Fass ohne Boden ist. Die Fehler liegen im System. Dazu gehören die gemischte Finanzierung von sogenannten Verbundaufgaben, die Macht der Verwaltung und die Gesinnungspolitik.

A) Teile und herrsche

Obwohl eine innerstädtische Verbindung wird der Veloweg als sogenannte Verbundaufgabe vom Bund, dem Kanton und der politischen Gemeinde finanziert. Die Stadt St.Gallen bezahlt 2.7 Millionen Franken sowie die Kosten für die Projektentwicklung und die Aufwendungen der VBSG für den Bau neuer Leitungsmasten. Vom Kanton kommen 4.2 Millionen, vom Bund 1.2 Millionen Franken. Für die Stadt ein lohnendes Geschäft. Wenig überraschend stimmte die überwältigende Mehrheit des Stadtparlamentes der Vorlage zu. Einzig die SVP-Fraktion hielt dagegen.

Bereits bei Niccolò Machiavelli hiess es «teile und herrsche». Wenn alle zuständig sind, ist niemand verantwortlich. Eleganter lässt sich politischer Widerstand nicht austricksen. Hätte die Stadt St.Gallen die ganzen 8.6 Millionen Franken bezahlen müssen, dann wäre die Vorlage wohl mit einem Finanzreferendum bekämpft worden.

B) Macht der Verwaltung

Entgegen den Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung zum Finanzausgleich ist beim Beginenweg nicht die Stadt, sondern der Kanton St.Gallen mit der ganz grossen Spendierhose unterwegs. Allerdings war es nicht das Kantonsparlament, sondern die Verwaltung, die das Geld der Steuerzahler locker machte.

Bezahlt werden die mehr als 4 Millionen Franken aus dem Strassenfonds. Dieser wird vom Strasseninspektorat des Bau- und Umweltdepartements verwaltet. Nicht der Kantonsrat, sondern Staatsangestellte entscheiden über den ganz grossen Staatsbeitrag.

Wie in vielen Bereichen der Staatstätigkeit liegt auch in diesem Zusammenhang die wirkliche Macht bei der Verwaltung. Die Diskussionen im Stadtparlament dagegen waren nicht viel mehr als politisches Schattenboxen.

C) Gesinnung statt wirtschaftliche Vernunft

Sparsamkeit ist keine Tugend mehr. Vor allem dann, wenn es um das angebliche Gute geht. Dies gilt für das grosse Ganze genauso wie für einzelne Projekte wie den Fuss- und Velofahrertunnel in der Kreuzbleiche.

Das politisch korrekte Etikett «Velofahrer» verdrängt jede Diskussion über das Preis- und Leistungsverhältnis eines Bauprojektes. Geld spielt keine Rolle mehr. Was zählt ist die richtige Gesinnung und nicht die wirtschaftliche Vernunft.

Fiskalische Äquivalenz

Der Bund, der Kanton und die Stadt St.Gallen schreiben rote Zahlen. Die öffentliche Hand hat ein Ausgabenproblem. Dies hat auch damit zu tun hat, dass die einzelnen Gemeinwesen Leistungen beanspruchen können, für die andere zur Kasse gebeten werden.

Eine Ausgangslage, die dem in der Bundesverfassung festgelegten Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz widerspricht. Dieser verlangt, dass diejenigen Gemeinwesen die Kosten einer staatlichen Leistung zu tragen haben, in denen der Nutzen anfällt. Wer befiehlt, zahlt. Wer zahlt, befiehlt.

Wie das Beispiel der Fussgänger- und Velounterführung Kreuzbleiche beweist, haben wir uns von diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz meilenweit entfernt. Die Stadt St.Gallen beschliesst ein Luxusprojekt, bezahlt wird dieses grossmehrheitlich vom Kanton und dem Bund.

Dass unter diesen Voraussetzungen jede finanzpolitische Zurückhaltung verloren geht, versteht sich von selbst. Wenn ich das Geld anderer Leute für andere Leute ausgeben kann, interessiert mich nicht, wie viel ich ausgebe, und mich interessiert nicht, was ich für das Geld bekomme. So Milton Friedmann.

Monistische Staatsfinanzierung

Ohne radikale Reformen bekommen wir den Staatshaushalt nicht in den Griff. Zu diesen Reformen gehört nach meiner Überzeugung der Übergang zu einer monistischen Staatsfinanzierung. Diese legt fest, dass jede Staatsaufgabe aus einer Hand zu finanzieren ist.

Der Bund bezahlt die Nationalstrassen, die Kantone bezahlen die Kantonsstrassen, die Gemeinden die Gemeindestrassen. Die Transferzahlungen des Bundes an die Kantone aus der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) und aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) werden gestrichen. Für jede öffentliche Aufgabe gibt es nur einen Kostenträger. Die gemischte Finanzierung von Verbundaufgaben fällt weg.

Kantone und Gemeinden können nicht länger ihre politischen Vorhaben auf Kosten des Bundeshaushalts vorantreiben. Gemeinden, die ihre Velowege vergolden wollen, stehen selbst in der Verantwortung. Im Gegenzug erhalten die unteren Staatsebenen ihre Autonomie zurück.

Ein radikaler Vorschlag, der eine umfassende Entflechtung der Aufgaben und eine neue Aufteilung der Finanzströme von Bund und Kantonen zur Folge hätte. In seinen Konsequenzen vergleichbar mit dem Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat.

Literatur: Weigelt, K. (2025). Die Eidgenossenschaft im 21. Jahrhundert. Eine alte Idee für eine neue Zeit, Verlag NZZ Libro

Politik

Braucht die FDP eine gemeinsame Linie?

Die politischen Parteien in der Schweiz sind von unten nach oben aufgebaut. Sie widerspiegeln unsere dezentrale Grundordnung und die Besonderheiten der direkten Demokratie.

Dies gelesen: «Die FDP steht vor einer Zerreissprobe: Die Europafrage rührt an einem alten Trauma.» (Quelle: tagblatt.ch, 3.5.2025)

Das gedacht: Die Sache ist nicht ganz einfach. Laut Medienberichten umfasst das Vertragspaket der Schweiz mit der EU rund 1500 Seiten. Da verliert man rasch einmal die Übersicht.

Dies weiss auch der Bundesrat. Deshalb wird alles unternommen, um die politische Auseinandersetzung bereits im Vorfeld der parlamentarischen Diskussion in die gewünschte Richtung zu lenken. Dazu gehörte, dass in einer ersten Phase nur ausgewählten Politikerinnen und Politikern eine privilegierte Einsicht in das Vertragswerk gewährt wurde.

Zu diesen Manövern gehört aber auch die Frage des Ständemehrs. Noch bevor das Volk und die Kantone – je nach politischer Agenda – die Bilateralen III, respektive das Rahmenabkommen 2.0 kennen, teilt uns der Bundesrat mit, dass die ganze Angelegenheit keinen Verfassungsrang hat.

Wirtschaftspolitiker vs. Staatspolitiker

Im Grunde genommen ist die Ausgangslage aber alles andere als kompliziert. Auch für die FDP. Es stehen sich zwei grundsätzliche Überzeugungen gegenüber:

Auf der einen Seite die Wirtschaftspolitiker. Für sie dreht sich fast alles um die Frage des Binnenmarktes. Aus ihrer Sicht führt mit Blick auf die Interessen des Wirtschaftsstandorts und der Unternehmen kein Weg an der dynamischen Übernahme von Gesetzen und Verordnungen der Europäischen Union und eine Unterstellung unter den Europäischen Gerichtshof vorbei.

Im Gegensatz dazu die Staatspolitiker. Sie gewichten die institutionellen Besonderheiten der Schweiz wie die direkte Demokratie, den Föderalismus oder das Milizsystem stärker als kurzfristige wirtschaftlichen Interessen. Nach ihrer Überzeugung ist ein von unten aufgebautes Gemeinwesen zukunftstauglicher als zentralverwaltete politische Systeme. more

Politik Wissen

Die Eidgenossenschaft als Staatsidee hat Zukunft

Interview: Dr. phil. Stephan Ziegler, Chefredaktor MetroComm AG

In den letzten Jahren ging es in Ihren Publikationen regelmässig um die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft. Ihr aktuelles Buch setzt sich nun aber mit der Eidgenossenschaft als Staatsidee auseinander. Haben Sie vom Vorwärtsgang in den Rückwärtsgang umgeschaltet?

Nein, überhaupt nicht. Auch in meinem aktuellen Text gehe ich der Frage nach, was die digitale Revolution für unsere Institutionen bedeutet. Dies in der Überzeugung, dass neue Zeiten neue Antworten brauchen.

Was macht denn nach Ihrer Ansicht diese «neue Zeit» so besonders?

Die Digitalisierung, aber auch die Globalisierung und die Migration bewirken eine zunehmende Ausdifferenzierung sozialer Beziehungen. Die immer wieder beklagte Fragmentierung aller Lebensbereiche ist nicht das Problem, sondern das Wesen der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Fragmentierte soziale Strukturen treten an die Stelle einer bisher zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung hochgehaltenen Einheitlichkeit von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt.

Das tönt nun aber etwas sehr theoretisch. Was bedeutet das in der Praxis?

Der Versuch, die Unsicherheiten einer sich verändernden Welt mit immer mehr Vorschriften und Kontrollen, mit dem Ausbau der öffentlichen Verwaltung und staatlich finanzierten Programmen in den Griff zu bekommen, scheitert an der Komplexität einer fragmentierten Gesellschaft. Dies zeigen die allgegenwärtigen politischen Krisen, die explodierenden Staatsschulden und der Vertrauensverlust in die politischen Institutionen. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Und was hat die alles mit der Eidgenossenschaft als Staatsidee zu tun? more

Politik Wissen

Die Zahl der Beamten oder Angestellten einer Verwaltung steht in keiner Beziehung zu der Menge der vorhandenen Arbeit. (C.N. Parkinson)

Bürokratische Strukturen und Prozesse sind gemeinsame Merkmale grosser Organisationen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft. Der Unterschied liegt in den Umständen, die dem administrativen Leerlauf ein Ende setzen.

Dies gelesen: «Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz.» (Quelle: Avenir Suisse, 5.2.2025)

Das gedacht: In einem aktuellen Blogbeitrag dokumentiert Avenir Suisse die Verwaltung in den zehn grössten Schweizer Städten. Im Jahr 2022, dem letzten verfügbaren Zeitpunkt, zählten sie zusammen 36’254 Mitarbeitende. Das entspricht genau der Bevölkerung der Stadt Chur und bedeutet einen Anstieg um 13,3% gegenüber dem Jahr 2011. Im gleichen Zeitraum hat die Bevölkerung in diesen Orten lediglich um 9,7% zugenommen.

Aus St.Galler Sicht bemerkenswert: Für einmal ist man ganz vorne mit dabei. Im Vergleich zur Einwohnerzahl gehört St.Gallen zu den drei Städten mit den meisten Verwaltungsangestellten. Pro 1000 Einwohner arbeiten in der St.Galler Stadtverwaltung 25 Mitarbeitende, in Luzern sind es 16. Einsame Spitzenreiterin ist die Stadt Zürich.

Stadt-Land-Graben

Auffallend ist der Stadt-Land-Graben. Die zehn grössten Städte haben mehr als doppelt so grosse Verwaltungen wie die restlichen Gemeinden der Schweiz. Erklärt wird dieser Unterschied in der Regel mit Zentrumsleistungen, die in den Städten anfallen und von denen auch Einwohner aus der Agglomeration profitieren. more

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Das Gebot der Stunde heisst Entstaatlichung

Die Bevölkerung Europas verhält sich wie reiche Erben. Man optimiert sein persönliches Wohlbefinden und konsumiert die von den Vorfahren erarbeiteten Errungenschaften. Obwohl in vielfacher Hinsicht besser unterwegs als die meisten EU-Staaten gilt dies auch für die Schweiz. Ohne die Rückbesinnung auf die wesentlichen Aspekte einer unternehmerischen Gesellschaft verlieren wir den Anschluss an die weltweite wirtschaftliche Entwicklung.

Dies gelesen: «Europa ist nur noch ein Zuschauer». (Wolodimir Selenski am WEF, Quelle: www.blick.ch)

Das gedacht: Selenski fordert ein starkes Europa. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Selenski übersieht allerdings, dass militärische Stärke nicht gratis zu haben ist. Ohne eine erfolgreiche Wirtschaft läuft nichts. Und diesbezüglich sieht es für Europa alles andere als hoffnungsvoll aus.

62 der 100 teuersten Unternehmen haben ihren Sitz in den USA. Noch einseitiger sieht es an der Spitze der Rangliste aus. Kein einziges europäisches Unternehmen schafft es unter die weltweiten Top 10. Neun der zehn wertvollsten Konzerne kommen aus den Vereinigten Staaten.

Mit drei Unternehmen ist die Schweiz ist in dieser Rangliste gut vertreten. Gleich wie Deutschland. Noch bemerkenswerter: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es in der Schweiz fast doppelt so viele Top 100-Unternehmen wie in den USA.

Allerdings, wie das übrige Europa verlieren auch die grossen Drei der Schweiz an relativer Bedeutung. Im Jahre 2007, vor der weltweiten Finanzkrise, hatten 46 der 100 wertvollsten Unternehmen der Welt ihren Sitz in Europa. Heute sind es noch 18. more

Politik

Die Lebenswirklichkeit macht den Unterschied

In der Schweiz werden alle grösseren Städte von einer linken Mehrheit regiert. Dies aus einem einfachen Grund. Hier befinden sich die öffentlichen Verwaltungen, die Spitäler und die höheren Bildungseinrichtungen. Die Zahl rotgrüner Wählerinnen und Wähler steigt mit der Zahl der Staatsangestellten.

Dies gelesen: «Die Bundesstadt ist zunehmend zu einer rot-grünen Parallelwelt geworden, in der man unter seinesgleichen lebt – ein staatlich umsorgtes Biotop, wo man nicht viel darauf gibt, wie das Geld erwirtschaftet wird.» (Katharina Fontana, NZZ, 25.11.2024)

Das gedacht: Amerika hat gewählt. Viele politische Beobachter reiben sich die Augen. Aus dem erwarteten und von ihnen erhofften Erfolg von Kamala Harris ist nichts geworden. Stattdessen siegte Donald Trump auf der ganzen Linie. Er holte die Mehrheit der Stimmen der Wahlleute und des Volkes. Die Republikaner gewannen den Senat und das Repräsentantenhaus. Eindeutiger geht es nicht.

Diese klaren Mehrheitsverhältnisse ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass die Vereinigten Staate ein politisch gespaltenes Land sind. 51% der Wahlberechtigten wählten Trump, 49% Harris. Ausgeprägt erkennt man diese Spaltung, wenn man die Resultate auf County-Ebene betrachtet. Das ländliche Amerika stimmte mehrheitlich für Trump. In den grossen Städten gewann Harris.

Besonders deutlich zeigte sich dies im Bundesdistrikt Washington D.C., der Hauptstadt der USA. Hier siegte die Demokratin mit 92.5% der Stimmen. Dies aus einem einfachen Grund. Gegen 30 Prozent der Beschäftigten in Washington D.C. arbeiten für die Bundesbehörden und die lokale Verwaltung. Dazu kommen alle, die als Lebenspartner und Familienmitglieder von Staatsangestellten ebenfalls am Tropf staatlicher Lohnzahlungen hängen. Sie alle vertreten die Interessen der Verwaltung und wünschen sich einen starken Staat. more

Politik Wissen

Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer.

Dies gelesen: «Interessant ist, dass Geld und höheres Ansehen für Gründungspersonen in der Schweiz eine sehr kleine Rolle spielen. Vielmehr stehen intrinsische, persönliche Motive wie Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen im Vordergrund.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht)

Das gedacht: Seit mehr als zwanzig Jahren untersucht die Fachhochschule Nordwestschweiz die Gründerszene der Schweiz. Verändert hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren erfreulicherweise der Frauenanteil. Dieser hat sich ziemlich genau verdoppelt. Hinter knapp einem Drittel der neugegründeten Unternehmen stehen Frauen. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Unternehmensgründer mit einem akademischen Abschluss. Angesichts der starken Zunahme an Hochschulabsolventen keine Überraschung.

Im Übrigen aber hat sich kaum etwas bewegt. Die durchschnittliche Gründerperson ist etwas mehr als vierzig Jahre alt. Die neuen Unternehmen sind klein und bleiben klein. Unterstützung kommt bei der Gründung in erster Linie von der Familie, von Bekannten und Verwandten. Vergleichbares gilt, wenn bei auftretenden Schwierigkeiten externe Unterstützung gesucht wird. Bei der Finanzierung kommen zusätzlich Banken und Risikokapitalgeber ins Spiel.

Privat statt Staat

Kaum Bedeutung kommt bei Unternehmensgründungen den öffentlichen Gemeinwesen zu. Nur bei 6% der Gründerinnen und Gründer spielen staatliche Stellen eine unterstützende Rolle. Ein noch tieferer Wert als vor 10 Jahren (2009: 8%). Auch bei auftretenden Schwierigkeiten werden öffentliche Unterstützungsangebote kaum genutzt. more

Politik

Niemand beisst die Hand, die ihn füttert

Die Abhängigkeit von staatlichen Geldern ist umfassend, durchdringt die ganze Gesellschaft. Eine Tatsache, die nicht nur unseren Staatshaushalt, sondern auch unsere Demokratie in hohem Masse beschädigt.

Dies gelesen: «Subventionen machen über 60 % des Bundeshaushaltes aus und betragen jährlich fast 50 Milliarden Franken.» (Quelle: Eidgenössische Finanzkontrolle, Jahresbericht 2023)

Das gedacht: Im Grunde genommen Schnee von gestern. Die Subventionslawine ist seit vielen Jahren eines der zentralen Probleme der Schweizer Politik. Allerdings, in Zeiten ständig steigender Steuerträge interessierte dies kaum jemand.

Und deshalb wurde und wird das Geld mit vollen Händen ausgeben. Gemäss Voranschlag 2023 machen die Subventionen für die soziale Wohlfahrt 21,5 Milliarden Franken aus. 7,7 Milliarden fliessen in die Bildung und Forschung, 7,4 Milliarden in den Verkehr. Landwirtschaft und Ernährung erhalten 3,6 Milliarden, die Beziehungen zum Ausland 2,9 Milliarden und die Wirtschaft 2 Milliarden Franken.

Kaum eine Rolle spielt die Frage, ob und in welchem Umfang dieser Geldsegen der Allgemeinheit dient. Licht in diese Dunkelkammer bringt der Subventionsreport des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern IWP. Jedes Jahr gibt der Bund 6,7 Milliarden Franken für Subventionen aus, die die allgemeine Wohlfahrt vermindern. Bei weiteren 31.3 Milliarden besteht zumindest das Risiko wohlfahrtsvermindernder Effekte.

Galoppierende Anspruchsmentalität

Nun hat sich das Blatt gewendet. Trotz weiterhin rekordhoher Steuereinnahmen. Die galoppierende Anspruchshaltung von Volk und Politik lässt sich mit den zu Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr finanzieren.

Beispielhaft für den aktuellen Irrweg die 13. AHV-Rente. Es wird Geld verteilt, das nicht vorhanden ist. Vergleichbares gilt beispielsweise für die Klima- und die Migrationspolitik, den öffentlichen Verkehr oder die Entwicklungszusammenarbeit.

Wenig überraschend ist der Verteilkampf voll entbrannt. Jede noch so bescheidene Sparübung stösst auf erbitterten Widerstand. Linke fordern die Abschaffung der Schuldenbremse. Andere wiederrum versuchen, die dringend notwendige Ertüchtigung der Armee mit der Ukraine-Hilfe zu verknüpfen und so nicht nur die Schuldenbremse, sondern gleich noch das Stimmvolk auszutricksen. more

Politik

Der Service public gehört auf den Prüfstand

Staatsunternehmen sind gekommen, um zu bleiben. Koste es, was es wolle. Der damit verbundene Schaden geht über Kaufkraftverlust und unfaire Konkurrenz hinaus. Auf der Strecke bleiben die von Schumpeter mit dem Begriff der schöpferischen Zerstörung beschriebenen Erneuerungsprozesse.

Dies gelesen: «Wir brauchen etwa sieben bis acht Pakete, um gleich viel zu verdienen wie mit einem einzigen Brief.» (Post-Chef Robert Cirillo, Tagblatt, 15.3.2024)

Das gedacht: Bemerkenswert. Der Post-Chef nennt das Kind beim Namen. Die Briefpost ist die Henne mit den goldenen Eiern. Weniger ehrlich ist seine Begründung. Die hohe Marge auf der Briefpost lässt sich nicht mit der Tatsache erklären, dass man Briefe im Gegensatz zu Paketen ohne Probleme automatisch verarbeiten kann.

Vielmehr ist es das Briefmonopol, das der Post überdurchschnittliche Gewinne garantiert. Während bei den Paketen die Post im Wettbewerb mit hocheffizienten privaten Unternehmen steht, kann sie bei der Briefpost die Preise nach Lust und Laune selbst bestimmen. Nicht der Kunde, sondern die Post selbst ist die Königin.

Service public

Diese wundervolle Geldvermehrung hat einen nicht weniger wundervollen Namen: Service public. Dieser steht mit den Worten des Bundesrates und in bestem Beamtendeutsch für eine politisch definierte Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und Infrastrukturdienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.

Privaten Unternehmen traut man dies in der Schweiz nicht zu. Eine zumindest aus historischer Sicht fragwürdige Betrachtungsweise. Der atemberaubend rasche Ausbau der Eisenbahninfrastruktur im 19. Jahrhundert kam nur dank privaten Unternehmen und kantonalen Konzessionen zustande. Verstaatlicht wurde die Eisenbahn erst kurz vor der Jahrhundertwende.

Systemfehler

Unternehmen, die in staatlich geschützten Märkten unterwegs sind, profitieren von einer Monopolrente. Die Briefpost ist dabei nur die bescheidene Spitze des Eisbergs. Und, falls diese Einnahmen nicht ausreichen, werden die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich als Steuerzahlende zur Kasse gebeten.

Beispielhaft für diese Entwicklung steht der öffentliche Verkehr. Geht es nach dem Bundesrat, dann erhalten die Bahnunternehmen in den nächsten vier Jahren über 16 Milliarden Franken für den Unterhalt der Bahninfrastruktur. Darüber hinaus wird eine nächste Botschaft für den Bahnausbau in die Vernehmlassung geschickt. Dabei geht es um weitere 10 bis 15 Milliarden Franken. Anders als beispielsweise in der Landesverteidigung spielt Geld beim öffentlichen Verkehr keine Rolle.

Der Service public ist ein Fass ohne Boden. Effizienz (die Dinge richtig tun) und Effektivität (die richtigen Dinge tun) spielen dann eine untergeordnete Rolle, wenn nicht zufriedene Kunden, sondern die Politik die Einnahmen garantiert. Die Fehler liegen im System. Daran können auch die zahllosen Mitarbeitenden der öffentlichen Unternehmen nichts ändern, die tagtäglich einen tollen Job machen. more

Politik Wissen

Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

Die Politik muss sich von ihrem Anspruch auf Totalverwaltung verabschieden. Verschiedenheit lässt sich nur mit Verschiedenheit bewältigen.

Dies gelesen: «In der heutigen Welt kommt es auf Grösse an.» (EU-Kommissar Maros Sefcovic, in: NZZ, 19.3.2024)

Das gedacht: Für EU-Kommissar Maros Sefcovic steht fest, dass für die Schweiz kein Weg an einer institutionellen Anbindung an die EU vorbeiführt. Dies aus einem einfachen Grund: Gut ist, was gross ist. Eine Vorstellung, die nicht nur EU-Politiker auszeichnet. Nur, stimmt dies? Liegt, wie Sefcovic behauptet, die Zukunft in möglichst grossen Organisationen?

Die Fakten jedenfalls sprechen eine andere Sprache. Der Trend geht nicht in Richtung grosser politischer Einheiten. Von 1900 bis heute stieg die Zahl der Staaten von weltweit 50 auf knapp 200. Im 20. Jahrhundert entstand alle neun Monate ein neuer Staat. Auch im 21. Jahrhundert setzt sich die Staatenvermehrung fort, wenn auch verlangsamt. Egbert Jahn spricht von der wundersamen Vermehrung der Nationalstaaten im Zeitalter der Globalisierung.

Grösse ist auch keine Garantie für Wohlstand. Im Gegenteil. 16 der 20 Länder mit dem grössten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2022 haben weniger als 10 Millionen Einwohner.

Und Grösse macht erst recht nicht glücklich. Gemäss dem World Happiness Report gehört zu den zehn Staaten mit den glücklichsten Menschen kein einziger Grossstaat. Bei den Top Ten liegt der Durchschnitt bei 7.1 Millionen Einwohnern. more